Brief einer Mama in der Covid-19 Krise

Meine lieben Töchter,

Mama sein finde ich an sich schon schwierig. Mama in einer Krise sein finde ich an manchen Tagen schier unmöglich. Klar, kann ich irgendeine Mama sein, aber die, die ich für euch sein möchte: Vergiss es.

Jede Mama ist anders. Jedes Kind ist anders. Jeder Mensch braucht andere Rahmenbedingungen, um aufblühen zu können. Ich hatte die perfekten Rahmenbedingungen für mein Leben. Ich habe sie mir geschaffen, um die Frau und die Mama sein zu können, die ich sein wollte. Ach, war ich gut darin!

Und dann kam Covid-19. Die ersten 3 Wochen waren kein Problem. Ich wusste die gewonnene Zeit mit euch beiden sehr zu schätzen. Jeden Tag gab es etwas Neues zu entdecken. Ich fand es toll, weniger (bis gar nicht) zu arbeiten, Mama, Hausfrau und Ehefrau zu sein. 3 Wochen lang war es ein Geschenk, aber dann wurde es langsam zu meiner eigenen Hölle.

Gefangen in einem Traum, den ich mir selbst geschaffen habe. 

Ich liebe euch über alles, ich würde alles für euch tun. Ich würde mein Leben für euch geben, aber nicht meine Seele. Ich kann mich nicht selbst aufgeben, um für euch da zu sein. Und obwohl ihr das NIEMALS von mir verlangt habt (ganz im Gegenteil, ich habe noch nie ehrlichere Blicke voller Liebe bekommen, wenn ich mich euch zeige, wie ich wirklich bin), ist irgendwann ein Memo in meinem System installiert worden, das sagt: „Nimm’ Dich zurück. Hab’ Geduld. Sei für sie da. Immer. Sei nicht zu laut, zu wild, zu unbeherrscht. Schreie sie nicht an. Sei nicht verzweifelt. Sei nicht überfordert. Sei nicht traurig. Sei Du selbst, aber zeige nur Deine „guten“ Seiten. Die zarten, lustigen, liebevollen, mütterlichen Seiten. Deine Angst, Deine Wut, Deine Traurigkeit, die musst Du verstecken. Die sind nicht gut. Die traumatisieren Deine Kinder. Und das willst Du doch nicht. Du willst doch eine gute Mutter sein.“

Meine lieben Töchter. Es ist hart. Unfassbar hart. Aber ich werde diesem Memo keinen Glauben mehr schenken. Ich will keine gute Mutter sein. Ich will Christine sein. Ich will euch geben, was ich habe. Ich will euch zeigen, was es bedeutet, MENSCH zu sein. Was es bedeutet, eine Frau zu sein, in dieser Welt mit all ihren Anforderungen. Ich liebe euch über alles und das größte Geschenk, das ich euch machen kann, bin ICH. ALLES VON MIR. 

Ihr müsst mir eure Liebe nicht schenken, ihr habt MEINE. Und mein Versprechen, dass ich mich selbst lieben werde, ich mich euch zeige, wie ich wirklich bin und ihr in mir immer ein Zuhause habt. 

In ewiger Liebe,

Eure Mama



2 Kommmentare

    • Insa

      22. Apr. 2020 | 20:04 Antworten

      Was für ein toller, ehrlicher, offener und auch liebevoller Brief an Deine Töchter liebe Christine!

Was meinst Du?

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